Lagerfeuer statt Instagram

Expertenforum im KWG: Uwe Bohlmann diskutiert mit Eltern über Medienkonsum

Höxter(WB). Snapchat, Instagram und Erwartungsdruck: Wie finden unsere Kinder den inneren Kompass? Dieses Spannungsfeld bereitet vielen Müttern und Vätern Kopfzerbrechen. Entsprechend groß war die Resonanz auf den Vortrags- und Gesprächsabend, den die Elternpflegschaft des König-Wilhelm-Gymnasiums (KWG) Höxter zu diesem wichtigen Thema angeboten hat.

Lagerfeuer statt Instagram

Mit dem Psychologen Uwe Bohlmann aus Höxter hatte die stellvertretende Vorsitzende der Schulpflegschaft des Gymnasiums Katja Held einen ausgewiesenen Experten für den Gedankenaustausch gewinnen können. Eltern und auch Lehrer kamen mit dem erfahrenen Therapeuten ins Gespräch.

Konsens herrschte zuallererst in der Feststellung, dass die neuen Medien wie selbstverständlich zum Alltag der jungen Generation dazu gehören. Dieses Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Dennoch riet Uwe Bohlmann den Eltern dazu, den Medienkonsum ihrer Kinder im Auge zu behalten. Mit dem Computerspiel oder dem Surfen bei Instagram entspanne sich das Kind für die getane Arbeit in der Schule. Schnell werde dabei durch das »gute Gefühl« das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Entsprechend schwer – aber nicht unmöglich – sei es für Eltern, ihr Kind vom Smartphone oder Computer loszueisen.

Wie das gehen kann, dafür hatte der Experte eine Menge Tipps. Er riet zu alternativen Entspannungsangeboten etwa durch gemeinsame Unternehmungen. Das müsse kein großes Event sein. »Schlagen Sie ihrem Kind vor, zusammen spazieren zu gehen, Sport zu machen oder etwas zu kochen.« Bewegung statt stillsitzen sei ohnehin für die körperliche und seelische Gesundheit wichtig. »Der Mensch ist für die Kopfarbeit und auch für die Bewegung geschaffen. Beides muss in einer Balance liegen«, erläuterte Bohlmann.

Zu großer Medienkonsum bringe den inneren Kompass nicht nur wegen des Bewegungsmangels aus dem Lot. Der Weg in die Sucht sei kurz. Medien- und Spielsucht seien extrem auf dem Vormarsch. Depressionen im Kinder- und Jugendalter seien die Folge. »Auch sie nehmen zu.«

Daher sei es so wichtig, dass Eltern steuernd eingreifen – zumal gemeinsame Zeit auch viel wertvoller sei als die Verinselung mit dem Smartphone oder am Computer. Eine Lehrerin wies in dem Zusammenhang auch auf die Gefahren hin, die in Foren wie Whats-App-Gruppen lauern. Unangebrachte Inhalte oder ein rauer Umgangston kämen hier durchaus vor. Daher riet der Experte den Eltern, die Chatverläufe der Kinder zu kontrollieren. Und: Über Kanäle wie WhatsApp und Co lassen sich, so Uwe Bohlmann, keine Gefühle transportieren. Es sei aber wichtig, die Gefühlsebene der Kinder zu erreichen, weil diese sonst womöglich nicht mehr in der Lage sind, die eigenen Gefühle überhaupt wahrzunehmen. Also: »Bleiben Sie mit Ihren Kindern im Gespräch. Nehmen Sie sich ungeteilte Zeit füreinander. Greifen Sie auf Altbewährtes zurück, das Ihren Kindern früher Freude gemacht hat – das Lagerfeuer beispielsweise. Lesen Sie Ihren jüngeren Kindern Geschichten vor. Das regt die Phantasie an und festigt Bindungen.«

Wenn gutes Zureden oder Alternativ-Vorschläge zum Medienkonsum nicht fruchten, sei es durchaus geboten, dass Eltern klare Grenzen setzen. Ohnehin bräuchten Kinder Orientierung. »Wir Eltern müssen sie ihnen geben.« Wenn Jugendliche sich Gangs oder Banden anschließen, dann sei dies Ausdruck ihrer Suche nach Orientierung. Denn Gangs hätten feste Regeln. Wer im Familienleben Strukturen erfahre, sei gewappnet gegen die Verlockungen solch unguter Verbünde.

Schulleiterin Heike Edeler dankte dem Experten ebenso wie Katja Held für seine informativen Impulse. Die Schulleiterin kann sich gut vorstellen, Expertenforen wie dieses am KWG zu implementieren.

Katja Held betonte, dass ihr die Kinder am Herzen liegen. Für ihre Entwicklung sei es immens wichtig, dass sie von Eltern und Lehrern immer ein wertschätzendes und bestärkendes Feedback erhalten – so wie Uwe Bohlmann es Vätern und Müttern an der Eingangstür zu seiner Praxis ans Herz legt. Wer hereinkommt, stolpert über eine Karte an der Wand, auf der gefragt wird, ob man seinem Kind heute schon gesagt hat, wie lieb man es hat.

Quelle: Westfalen-Blatt vom 01.06.2019

Titelfoto: Image by Thomas Ulrich from Pixabay