»Ich stand an der Bornholmer Straße«

30 Jahre Mauerfall – der Jahrestag am 9. November bewegt auch viele Höxteraner. Zwei hochkarätige Zeitzeugen haben am Dienstagabend im KWG über die Wende diskutiert: Ex-Bürgerrechtler und letzter DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann und Klaus Töpfer, 1989 Bundesumweltminister, berichteten als an der Wiedervereinigung beteiligte maßgebliche Akteure.

Geschichte aus erster Hand – wann erlebt man das als Schüler und Lehrer? Töpfer und Eppelmann saßen bei einer Talkrunde auf der Bühne der Aula des Gymnasiums und sprachen zuvor vom Pult vor 200 Zuhörern Tacheles. »Ich habe selbst Kinder und Enkel; deshalb sage ich im Jahr besonders viele Schulveranstaltungen zu, damit die junge Generation erfährt, was Unfreiheit wirklich bedeutet«, erklärte Eppelmann, der erstmals Höxter besuchte, dem WESTFALEN-BLATT. Der Berliner fesselte mit seinen Bewertungen über die Zeit 1945 bis 1989.

Ein bemerkenswerter Satz von Rainer Eppelmann lautete: »Ich danke der Bundesrepublik dafür, dass wir 1990 die Wiedervereinigung hinbekommen haben. Die europäischen Nachbarn hätten dem nie zugestimmt, wenn es die guten Erfahrungen mit der Demokratie in Westdeutschland vorher nicht gegeben hätte«.

Er beschrieb den Abend des Mauerfalls nach Günter Schabowskis Ankündigung, die Grenze sei geöffnet. »Ich habe schon früh am Grenzübergang Bornholmer Straße gestanden. Der Schlagbaum ist noch unten gewesen. Zum Glück haben die Grenzsoldaten keine Waffen bei sich getragen. Vier Kilometer lang ist am Ende die Schlange derer gewesen, die nach Westberlin wollten – das war eine unvergessliche Nacht«. Eppelmann zitierte einen Superintendenten aus Leipzig, der bei der Montagsdemo am 9. Oktober mit Blick auf 70.000 Demonstranten, den Staat und bewaffnete Organe gesagt habe: »An dem Abend hat die Angst die Seiten gewechselt.«

Rainer Eppelmann ist eines der bekanntesten Gesichter der Oppositionsbewegung und der friedlichen Revolution 1989. Der studierte Theologe war Vorsitzender des Demokratischen Aufbruchs und Minister für Abrüstung und Verteidigung in der Regierung de Maizière. Als Minister löste er die DDR-Armee auf und machte immerhin 11.500 NVA-Soldaten zum Teil der Bundeswehr. Er erinnerte sich noch lebhaft an den Tag, wo er als Minister das NVA-Ministerium in Straußberg übernahm und erstmals die DDR-Soldaten vor ihm antraten: »Da wusste ich, ich der gefährliche Konterrevolutionär, hatte mit den anderen gesiegt. Wir kommandierten jetzt«.

Klaus Töpfer, Ex-KWG-Schüler, lobte Eppelmann für seine vielen Auftritte in Schulen. Vielleicht gibt es 2036 wieder einen Auftritt am KWG: »Ich will 93 Jahre alt werden und lebe in dem Jahr dann ein Jahr länger in der Demokratie als in der Diktatur«, scherzte Rainer Eppelmann. Den beiden eindrucksvollen Reden schloss sich eine Talkrunde, die VHS-Leiter Rainer Schwiete moderierte, auf der KWG-Bühne an. VHS und Adenauer-Stiftung waren Partner des KWG bei der Veranstaltung, die Schulleiterin Heike Edeler eröffnet hatte. Weiterer Bericht folgt.

Quelle: Michael Robrecht im Westfalen-Blatt vom 13.11.2019

Titelbild: Die Referenten Prof. Dr. Klaus Töpfer und Rainer Eppelmann.

 

»Ich stand an der Bornholmer Straße«

 

»Ich stand an der Bornholmer Straße«

Bildunterschrift: Neben den am Projekt beteiligten Gymnasiasten haben sich auch 200 interessierte Bürger aus der Region im KWG eingefunden.